Teil 1 des Börse Social Interviews
Wir hatten das große Vergnügen in der letzten Ausgabe des Börse Social Magazins gemeinsam mit Christian Drastil die Chefredaktion zu übernehmen aka zu „ninja-en“. Herausgekommen ist ein ausführliches Interview zu Fintechs, neuesten Trends und wie Banken noch viel besser mit jungen, agilen Startups zusammenarbeiten können.
In mehreren Teilen wollen wir nun dieses Interview auch allen Lesern zugänglich machen. Wir freuen uns auf Feedback, Anmerkungen und gerne auch unterschiedliche Meinungen.
Christian Drastil:
- Lieber Johannes, dich verbinde ich vor allem mit Finanzdaten nahe an der Wiener Börse. Du warst mit Ex-ÖTOB- und Börse-Chef Christian Imo in einem Team. Wie läuft das mit Kursdaten, die ja meist Börsen gehören? Bitte um ein paar Worte zu Rohdaten, die dann aufbereitet auf Websites, bei Brokern, in Print oder sogar TV landen …
Johannes Eichmeyer:
Man muss ganz klar festhalten, dass reine Finanzdaten heute im Vergleich zu vor 10 Jahren eigentlich nur noch eine Commodity sind, die deutlich an Wert verloren haben. Jeder Nutzer kann sich heute völlig kostenlos komplette historische Kursreihen oder Kennzahlen herunterladen und somit weiterverarbeiten. Zunehmend wichtiger ist die Einbindung in den Gesamtkontext des Mediums, egal ob Website, App oder Print. Für Banken und Broker stellt sich nun eher die Herausforderung, dass sie intelligente Such- und Filtermöglichkeiten nach Lebenssituation, Interessen und Branchen den Nutzern an die Hand geben. Die Challenge bei der Umsetzung ist hier die Verständlichkeit für den nicht so finanzaffinen Nutzer. 27 Kennzahlen in einer Box auf eine Website zu klatschen ist zwar einfach, stiftet aber meist wenig bis keinen Nutzen für den potentiellen Anleger.
Stefan Greunz:
Bei Finanzportalen sieht man heute klar den Trend, dass sie vor allem bei Realtime-Daten im Bereich Indizes oder Aktien auf Indikationen von Emittenten oder Banken setzen, da sie nicht mehr bereit sind die horrenden Preisvorstellungen für Daten von Börsen zu zahlen. Ich bin sehr gespannt, wie sich hier der Markt entwickeln wird, wenn man bedenkt, dass Finanzportale in unserer jetzigen Form noch keine 20 Jahre alt sind.
- Super, Danke für die erste Runde. Stefan K. – Ich hab derzeit das Gefühl, dass jeder zweite alte Wegbegleiter ein ICO macht. Ich hab‘s mir nicht näher angesehen, aber geht das so leicht?
Stefan Kainz:
Ja stimmt, ICOs sind für viele das neue, heiße Ding, ein unglaubliches Hype-Thema! Das ICO-Volumen hat in 2017 ein unglaubliches Momentum aufgebaut und alle Rekorde gebrochen. Allein im Dez. 2017 verzeichnet die Plattform ICObench 214 ICOs mit einem Volumen von 1,4 Mrd. USD. Wer hätte dies Anfang des vergangenen Jahres gedacht.
- Einige Marktteilnehmer vermuten, dass die Mehrheit aller ICOs auf globaler Ebene Scams, also Betrugsfälle, sind. Wie kann man diese erkennen?
Stefan Kainz:
Allen potentiellen Anlegern gebe ich hier immer den Tipp: Bitte Hausaufgaben machen, also Whitepaper lesen, verstehen und für gut befinden, Research zum Team durchführen oder auch eine Plausibilisierung der technischen Doku durchführen. Wenn man es nicht versteht, dann Finger weg!
Die Wildwest-Mentalität aus Mitte 2017 ist Gott sei Dank auch schon wieder etwas abgeklungen und hat Platz für mehr Besonnenheit gemacht.
In vielen Ländern, wie China oder Südkorea wurden ICOs verboten oder reglementiert. In der Schweiz hat sich der Kanton Zug zum “Crypto-Valley” proklamiert und bietet einen klaren Rechtsrahmen für ICOs. Auch ein Vertreter der US-Börsenaufsicht SEC meldete sich im Nov. 2017 zu Wort und hat für ICOs den sogenannten “Duck Test” in Aussicht gestellt: “If it looks like a duck, swims like a duck, and quacks like a duck, then it probably is a duck.”, sprich wenn das ICO oder der Token-Sale viel Ähnlichkeit mit einem Angebot von Wertpapieren hat, dann sind die Coins oder Tokens auch als Wertpapiere anzusehen und als solche zu behandeln. Auch auf den Homepages der BaFin und FMA gibt es mittlerweile Aussagen zur regulatorischen Behandlung von ICOs.
- Wann macht ein ICO oder Token Sale Sinn? Sollte jedes junge Unternehmen nun als Finanzierungsform zum Token greifen?
Stefan Kainz:
Aus meiner Sicht nur dann, wenn das eigene Geschäftsmodell ursächlich auf einem Blockchain- bzw. Distributed Ledger Modell beruht und die Coin/der Token als ein Medium für Tausch, Wertaufbewahrung und Recheneinheit im Geschäftsmodell verankert ist. Einen ICO mit einer synthetischer Coin/Token, der die Eigentumsrechte des Unternehmens abbildet und von Investoren mit Gewinnabsicht erworben wird, sehen die Behörden klar als Angebot von Wertpapieren – mit der damit einhergehenden Regulatorik – an. Anbieter wie zB CONDA aus Österreich oder das deutsche Unternehmen NEUFUND haben bereits einen Rahmen geschaffen, die junge Unternehmen dabei unterstützen, die rechtlichen und administrativen Anforderungen eines ICOs zu meistern. So muss nicht jedes Startup wieder bei Null beginnen.
- Neben ICOs wirken IPOs zurzeit etwas zurückgedrängt. Man sagt ja, bei tiefen Zinsen machen große Player lieber Bonds. Logo. Und wie sieht das mit Startup-Marktsegmenten aus?
Stefan Kainz:
Im Startup Bereich gilt noch viel mehr als im Large Corporate Segment der Leitspruch: “Geld sollte man aufnehmen, wenn man es kriegen kann, nicht wenn man es braucht”. Aufgrund des höheren Risikos von Startups überwiegt hier ganz klar die Eigenkapitalkomponente. Dieses wird in der Regel gestaffelt über Kapitalerhöhungen aufgebaut. Zuerst über die “FFFs”, also Friends, Family & Fools. In der nächsten Runden werden dann Business Angels mit größeren Tickets hinzugezogen. Und danach geht es in die Welt der Venture Capital Funds: Seed Funds, Early Stage Funds, Later Stage Funds.
- Wie sieht es mit klassischem Fremdkapital aus? Oder ist die Hausbank hier komplett aus dem Rennen?
Stefan Kainz:
Fremdkapital spielt dabei eine untergeordnete Rolle – und wenn dann meist in Form von Nachrangdarlehen, die im Herbst 2015 im Rahmen des AltFG (Alternativfinanzierungsgesetz) einen Sonderstatus für Startups und kleinere Firmen erhielten. Neuere Finanzierungsformen wie umsatzbasierte Finanzierungen (“revenue-based financing”) stehen dann jenen Startups offen, die schon einige Jahre am Markt sind und stabile, wachsende Umsätze verzeichnen. Und ja, die Hausbank spielt bei Startup-Finanzierung keine Rolle, da hier zumeist eine für Banken übliche Bewertungsgrundlage des Unternehmens fehlt. Eine aus meiner Sicht auch vergebene Chance hier frühzeitig spannende Geschäftsmodelle kennenzulernen.
- Welche Fintechs bzw. Themen haben in 2017 eine Rolle gespielt, werden in 2018 eine Rolle spielen. Oder ist der Fintech-Hype schon wieder vorbei?
Stefan Kainz:
Fintech ist nach wie vor ein sehr relevantes Thema. Das globale Finanzierungsvolumen in Fintechs hat sich in 2017 auf hohem Niveau von USD 14 Mrd. stabilisiert. Europa ist in 2017 stark gewachsen und hat erstmals ein Volumen von USD 2 Mrd. überschritten. Das Momentum wird noch anhalten, da in den letzten Monaten gerade in Europa neue Venture Fonds mit Spezialisierung auf Fintech aus der Taufe gehoben wurden. Auch der österreichische Vorzeige-VC Speedinvest überlegt, einen weiteren, reinen Fintech-Fonds aufzulegen. Dazu gesellen sich auch einige neue Corporate Venture Funds (CVCs) im europäischen Banken- und Versicherungsbereich – hier hat die österreichische Bankenwelt definitiv noch Aufholbedarf.
- Was waren die großen oder herausragenden Finanzierungsrunden im letzten Jahr?
Stefan Kainz:
In Europa standen vor allem die großen Challenger-Banken im Fokus. So konnten sich Revolut (UK) mit USD 66 Mio. und Monzo (UK) mit GBP 71 Mio. einen Großteil des VC-Kuchens sichern. In Deutschland konnten Smava, ein Urgestein der Kredit-Vergleichsportale, mit USD 65 Mio. und Scalable Capital, der größte deutsche Robo-Advisor, mit EUR 30 Mio. die Spitzenplätze sichern. In Österreich war sicherlich wikifolio.com mit dem Einstieg von New Alpha (FR) und Postfinance (CH) ein Highlight.
Stefan Greunz:
Da waren wir auch mittendrin, statt nur dabei (lacht).
Stefan Kainz:
Ja, hat Spaß gemacht (lacht)!